“The Incredible Story of Marc Franke: Beating Leukemia and HIV and Becoming the ‘Düsseldorfer Patient'”

2023-04-22 05:30:00

Am 14. Februar 2023 feierte der damals 53-jährige Marc Franke seinen zehnten Geburtstag. Sein Mann Ingo hatte einen Tisch reserviert in einem edlen Restaurant, Frankes Familie war eingeladen, enge Freunde, sein Arzt Dr. Jensen, seine Stammzellenspenderin Anna Prause. Sie alle feierten an diesem 14. Februar das Leben von Franke. Dass er entgegen jeder Wahrscheinlichkeit noch zwischen ihnen saß, dass er gleich zwei schwere Krankheiten besiegt hatte. Die Leukämie. Und das HI-Virus. Als einer der ersten Menschen der Welt ist Marc Franke, den die Wissenschaft als „Düsseldorfer Patient“ kennt, von HIV geheilt.

„Ich habe lange gewartet, bis ich meine Geschichte erzähle“, sagt Marc Franke. Er sitzt an seinem Küchentisch, irgendwo in einer Kleinstadt außerhalb der Metropolen. Neben ihm hat sein Mann Ingo Sträter Platz genommen, unter dem Tisch wuselt die Hündin Motte umher. Franke hat drei Tassen auf den Tisch gestellt und Tee aufgebrüht. Wenn er lang genug gezogen hat, unterbricht das Quaken einer gelben Enteneieruhr das Gespräch.

Auf seinem Tablet hat Franke eine Timeline erstellt. Weil es schwer ist, den Überblick zu behalten, bei all den Diagnosen, Ereignissen und Überlebenschancen.

1969 Geburt

1999 Dipl. Ing E-Technik (bitte nicht rechnen)

2000 Coming Out

01/2008 Diagnose HIV

Die Liste ist so lang, dass Franke insgesamt zwei Seiten braucht.

02/2013 KMT am Valentinstag

02/2023 10. Geburtstag mit Family and Friends + Anna + Dr. Jensen

Viele Jahre hielt Marc Franke seine HIV-Infektion geheim. Jetzt, wo er geheilt ist, will er auf der ganzen Welt darüber sprechen. Über die Fortschritte der Wissenschaft, über die Mediziner, die unermüdlich an einer Heilung forschen. Über das Stigma, das HIV zu einer so einsamen Krankheit macht.

Franke outete sich mit Anfang 30

Marc Franke wusste schon als Teenager, dass er schwul ist. Es blieb sein Geheimnis. Die 80er Jahre hatten gerade erst begonnen, als auch noch die Aids-Welle nach Deutschland kam, war das Thema Outing für ihn vorerst vom Tisch. Aids, als „Schwulenseuche“ gebrandmarkt, kam damals einem Todesurteil gleich. Neben der Krankheit fürchteten Männer wie Franke die sozialen Folgen, in einer Zeit, in der Kardinäle von einer „Heimsuchung Gottes“ sprachen, in der CSU-Politiker Horst Seehofer davon fantasierte, Aidskranke „in speziellen Heimen“ zu „konzentrieren“.

So outete Franke sich erst mit Anfang 30, als er seinen ersten Freund kennenlernte. Zur Erleichterung seiner Freunde („Endlich sagt er es“), Überraschung seiner Eltern („Das hätten wir ja nie gedacht!“) und zum Unbehagen seiner Großmutter („Marc, willst du es nicht doch mal mit einer Frau versuchen?“). Das Verhältnis zu seinem ersten Freund hielt nicht lange, ebenso das zu seinem nächsten Partner. Franke datete, verliebte, entliebte sich.

Im Winter 2008 fiel Frankes Hausarzt ein schlechter Leberwert seines Patienten auf. Franke kam ins Krankenhaus, vor der geplanten Leberpunktion machten die Ärzte einen HIV-Test. Positiv. Eine frische Infektion, maximal drei Monate her. Auf einem Foto aus der Zeit guckt Franke ausdruckslos in die Kamera, die Haut rot und fleckig. Sein Hausarzt verschrieb ihm Medikamente, die das Virus zurück unter die Nachweisgrenze drängen und dort in Schach halten. „Nehmen Sie es nicht so schwer, Herr Franke“, sagte er. „Wir werden beide noch erleben, wie HIV geheilt wird.“

Leukämie-Diagnose: Endlich eine Krankheit, über die er sprechen konnte

Franke hielt das für einen schwachen Aufmunterungsversuch. Er zog sich in den nächsten Monaten zurück, erzählte nur wenigen engen Freunden von der Infektion. Bei der vierteljährlichen Blutabnahme täuschte er gegenüber seinen Kollegen Leberprobleme vor. Den Firmenausflügen sah er nun mit Sorge entgegen, aus Angst, er könne sich bei einem Programmpunkt verletzen.

„Das Schlimmste an der Krankheit war, dass ich nicht darüber reden konnte“, sagt Franke. „Ich würde mir mehr Aufklärung darüber wünschen, dass Menschen in Behandlung ungefährlich sind.“ HIV-positive Menschen, die regelmäßig ihre Medikamente nehmen, können andere Menschen nicht anstecken. „Die Bilder aus den 80er Jahren müssen aus den Köpfen verschwinden. Aber dafür sind sie zu tief verwurzelt.“

01-06/2011 Behandlung AML

Ein Teil von ihm, sagt Franke, freute sich über die Diagnose Akute Myeloische Leukämie. Endlich hatte er eine Krankheit, über die er frei reden konnte. Kurz zuvor kam er mit einer Lungenentzündung in die Uniklinik Düsseldorf, eine Blutuntersuchung brachte Gewissheit. Die Symptome ähnelten denen zu Beginn seiner HIV-Erkrankung; Fieber, Nachtschweiß. Seine Leukämie wurde früh erkannt, die Überlebenschancen standen mit 60 bis 70 Prozent verhältnismäßig gut. Franke kämpfte sich durch die Chemotherapien, voller Zuversicht, denn er hatte viele Gründe, leben zu wollen.

Ein Grund hieß Ingo Sträter. Weil ihn das Krankenhaus langweilte, hatte Franke auf einer Datingplattform für schwule Männer gechattet und so den Pädagogen aus Düsseldorf kennengelernt. Ihr erstes Date verbrachten die beiden im Krankenhaus, auch das zweite, dritte und vierte, denn Sträter kam jeden Tag. „Ich fand Marc interessant und wollte ihn näher kennenlernen“, sagt er. „Die Krankheit spielte dabei für mich keine Rolle.“

Franke und Sträter gehen in die Hocke, um mit Motte in der mitte für die Kamera zu posieren. Sie sind in einem Park in Düsseldorf.

Marc Franke (rechts) mit seinem Ehemann Ingo Sträter und der Hündin Motte.

Im Sommer schien der Krebs besiegt. Franke wurde entlassen, er kam in die Reha. Ein Jahr später, im August 2012 kaufte er sich zur Feier seines Lebens ein neues Auto, mitfinanziert von seinen Eltern.

08/2012 Neuwagenkauf, 1 Tag später Rezidiv

„Da ist etwas krumm“, sagte sein Onkologe. Im Krankenhaus zeigte sich: Der Blutkrebs war zurück. Ein zweites Mal würde die Chemotherapie nicht funktionieren. Frankes einzige Chance war nun eine Stammzellentransplantation. Über die Deutsche Knochenmarkspenderdatei (DKMS) fanden sich fünf potenzielle Spender für Franke, deren Genetik seiner stark ähneln.

Einige Menschen mit einer seltenen Genmutation sind gegen HIV immun. Daraus entstand eine Idee. 

Es war der Zeitpunkt, zu dem bei Franke und seinem behandelnden Infektiologen Björn-Erik Ole Jensen eine Idee entstand: „Da wir eh gezwungen waren, dieses riskante Verfahren der Stammzellentransplantation durchzuführen, wollten wir versuchen, HIV direkt mitzuheilen“, erklärt Jensen zehn Jahre später am Telefon. Schließlich hatte das Verfahren schon einmal funktioniert: Der „Berliner Patient“ Timothy Ray Brown wurde 2008 zu einer medizinischen Berühmtheit, nachdem er als erster Mensch der Welt von HIV geheilt wurde.

So wie die Ärzte der Charité in Berlin wollten auch Jensen und der Leukämie-Experte Guido Kobbe in Düsseldorf vorgehen: Mit Frankes Einverständnis ließen sie alle potenziellen Spender auf eine seltene Genmutation untersuchen. Rund ein Prozent der ethnisch mittel- und nordeuropäischen Bevölkerung trägt eine Mutation in sich, durch die sie immun gegen HIV ist. Das HI-Virus schafft es durch Veränderungen an den Rezeptoren nicht, in die Zellen einzudringen. Vermutlich, sagt Jensen, hatte diese Mutation gegenüber Seuchen im Mittelalter einen Vorteil. Bei einer potenziellen Spenderin lässt sich die Mutation tatsächlich nachweisen. Am 14. Februar 2013 transplantierten Ärzte per Infusion die Stammzellen dieser Spenderin in Frankes Blutbahn.

Marc Franke und Dr. Jensen stehen in einem Gang der Uniklinik Düsseldorf.

Marc Franke (rechts) mit Björn-Erik Ole Jensen, Oberarzt und Infektiologe an der Uniklinik Düsseldorf.

„Die Stammzellentransplantation ist ein sehr belastender Eingriff“, erklärt Jensen. Frankes eigenes Immunsystem wurde vor dem Eingriff vernichtet. Im Krankenhaus lag er isoliert in einem Zimmer, Pflegekräfte betraten den Raum nur mit Schutzkittel und Maske, jede Brotscheibe für ihn war eingeschweißt. Mit den Stammzellen transplantierten die Ärzte das Immun- und blutbildende System der Spenderin in seinen Körper. Selbst ihre Blutgruppe übernahm er. Zu Beginn musste Franke das Immunsystem noch mit Medikamenten unterdrücken, damit es – trotz gut passender Genetik – nicht den eigenen Körper angreift. Das bedeutete aber auch: Sein Körper war schlechter gegen Infektionen geschützt. „Jeder siebte bis achte Patient stirbt allein durch die Transplantation“, sagt Jensen. Ohne zusätzliche Krebserkrankung komme diese Therapie für HIV-Infizierte deshalb nicht infrage. „Eine so hohe Sterblichkeit wäre niemals akzeptabel, um eine an sich gut behandelbare Erkrankung wie HIV zu heilen.“

„Hallo Du“, schrieb Anna Prause in einem Brief an Franke

Einige Monate später ging der Anteil der Spendergene in seinem Blut zurück. Frankes eigenes Blutsystem, das mit dem Krebs eigentlich verschwinden sollte, kehrte zurück. Die Ärzte verabreichten Franke erneut ein Chemotherapeutikum, seine Spenderin half mit T-Zellen aus, Frankes eigene Zellen zu eliminierten. Von einem derartiges Rückfall, sagten seine Ärzte, erholen sich nur 20 bis 30 Prozent der Patienten. „Ich hatte riesiges Glück.“

06/2015 Kennenlernen Anna

Es war Zufall, dass sich Anna Prause bei der DKMS als potenzielle Stammzellenspenderin registrierte. Die Leverkusenerin arbeitet als Flugbegleiterin, erzählt Marc Franke. Als ihre Kollegin im Flugzeug an ihrem Handy tippte, tadelte Prause sie scherzhaft. „Ich schicke doch gerade nur Geburtstagswünsche an das kleine Mädchen, das meine Stammzellen gekriegt hat“, habe die Kollegin sich verteidigt. Anna Prause bestellte sich daraufhin das Registrier-Set der DKMS. Ein halbes Jahr später der Anruf: Ihre Gene passten zu dem eines Patienten.

Ein Sarg wird in einem Krematorium in den Einäscherungsofen eingefahren.

Vor der Spende spritzte sich Anna Prause einige Tage Medikamente, die ihre eigenen Stammzellen vervielfachten und vom Knochenmark ins Blut schwemmten. In einem Entnahmezentrum schlossen Ärzte sie an ein Gerät an, das ihr Blut filterte und die Stammzellen herauswusch. Acht Stunden dauerte die Spende, dann war der Beutel mit den Stammzellen für Marc Franke voll.

„Hallo Du“, schrieb Anna Prause ein Jahr später in einem Brief an den Mann, durch den nun ihr Blut fließt. Innerhalb der ersten zwei Jahre ist der Kontakt zwischen Spender und Empfänger nur anonym möglich. „Da wir genetisch ein echter Volltreffer sind, denke ich, dass ich Dich sicher duzen darf – ist ja Familie :)“. Sie habe gehört, dass Frankes Körper sowohl die Stammzellen als auch die T-Zellen gut angenommen habe. „Ich bin in Gedanken oft bei Dir – schließe dann für einen kurzen Moment die Augen und hoffe, bald von Dir persönlich zu hören, dass es Dir gut geht!“

Ein Teufelskreis aus Folgeerkrankungen

Zwei Jahre nach der Spende trafen sie sich das erste Mal. Anna Prause besuchte Franke im Krankenhaus, mit Perücke auf dem Kopf, denn einige Monate zuvor hatte sie einen Knoten in ihrer Brust entdeckt. Krebs, ausgerechnet. Sie beschlossen, sich zu einem späteren Treffen nochmal zu sehen – wenn es ihnen beiden besser geht.

So kam es auch: An einem Sommertag trafen sich Prause, Franke und ihre Ehemänner in einem Restaurant am Rheinufer von Köln. Die Paare verstanden sich gut, Prause und Franke sind in einem ähnlichen Alter und hatten sich viel zu erzählen. „Es war überwältigend“, sagt Franke. „Sie ist ja der Mensch, der dafür verantwortlich ist, dass ich noch lebe.“ In dem Restaurant sprachen sie auch über Frankes HIV-Infektion. Erst durch ihn erfuhr Prause, welche Bedeutung ihre Zellen im Kampf gegen das Virus spielten.

GVHD, Leberprobleme, Kortison -> Diabetes

Nach der Transplantation rückte die Heilung von HIV für lange Zeit in den Hintergrund. Einmal kaufte sich Franke, immer noch immunsupprimiert, auf dem Nachhauseweg einen Burger. Dieser enthielt zwei meldepflichtige Keime.

„Die Keime sind auf meine Leber gegangen und haben Hepatitis ausgelöst“, sagt Franke. „Um die Leber zu schützen, habe ich Kortison bekommen. Durch das Kortison entwickelte sich ein Diabetes und ich musste Insulin spritzen.“ Jede lebensrettende Maßnahme schien eine neue Erkrankung auszulösen.

Im Sommer 2014 lösten die Medikamente eine Entzündung von Frankes Gehirngewebe aus. Er fantasierte, konnte zwischen Realität und Halluzination nicht mehr unterscheiden. Als er entlassen wurde, guckte er auf seine Handy-Benachrichtigung und las: Deutschland ist Fußballweltmeister. „Da erschrak ich und dachte: Verdammt, du fantasierst ja immer noch.“

Kurz danach stürzte er, seine Hüfte, durch die Folgeerkrankungen instabil geworden, brach. Marc Franke brauchte ein neues Gelenk.

„Marc ist als Überlebender dieser Krankheiten in der Minderheit“

10/2015 Verpartnerung mit Ingo, Segnung in der Kirche

„Mein Ziel war es, dass ich ohne Krücken vor dem Altar stehen kann“, sagt Franke. Den Tag hat das Paar in einem Fotobuch festgehalten: Sträter und Franke im Standesamt, mit identischen bunten Hemden, Sweatshirtjacken und bunten Schuhen. Ohne Krücken. Anschließend ließen sie sich in einer altkatholischen Kirche von einem Priester segnen.

Franke und Sträter stehen in einem Park in Düsseldorf. Sträter hat den Arm um Franke gelegt.

Marc Franke (links) und sein Ehemann Ingo Sträter

Zwei Jahre zuvor war das Paar zusammengezogen, Sträter ließ sich versetzen. Anfangs, erzählt er, gingen seine Versetzungsanträge beim Schulministerium nicht durch. Sträter solle warten. Damals habe er geantwortet, wenn er noch fünf Jahre warten müsse, dann brauche er die Versetzung gar nicht mehr, weil sein Mann nur eine niedrige Überlebenschance habe. „Marc ist als Überlebender dieser Krankheiten in der Minderheit“, sagt Sträter.

Im Gegensatz zu seinem Mann hat Franke sich kaum Gedanken gemacht, dass er die Krankheit nicht überleben könnte. „Theoretisch wäre ich tot. Ingo hat die Chancen immer ausgerechnet“, sagt er. „Ich wollte nur gesund werden. Endlich hatte ich einen vorzeigbaren Partner, einen ordentlichen Job, eine Chance auf ein normales Leben. Dieses Leben wollte ich.“

10/2018 Absetzung AART (HIV-Medikamente)

Als es Franke wieder besser ging, konzentrierten sich seine Ärzte auf das HI-Virus. „Wir machten verschiedene komplexe Untersuchungen, ob wir das Virus noch finden“, sagt Jensen. Das Tückische an HIV ist nämlich: Man kann das Virus durch die Medikamente zwar gut zurückdrängen, doch es „versteckt“ sich in Reservoirs des Körpers. Sobald ein Patient die Medikamente absetzt, kehrt die Krankheit zurück. Vorsichtshalber musste Franke deshalb weiterhin seine HIV-Medikamente einnehmen, während die Wissenschaftler ihn buchstäblich auf Herz und Nieren untersuchten. Als Franke für eine Magenspiegelung ins Krankenhaus kam, entnahm Jensen ihm bei der Gelegenheit auch Teile des Darms, um dort nach HIV-Reservoirs zu suchen. „Herr Franke war bereit, sich sogar operativ einen Teil der Lymphknoten entfernen zu lassen, damit wir dort nach HIV-Reservoirs suchen konnten“, sagt Jensen. „Er wollte einen Beitrag leisten auf dem Weg zur Heilung von HIV.“

„Es gibt kein HIV mehr in dem Körper“

Nie zuvor hat Jensen einen Patienten so genau untersucht wie Franke. Mediziner auf der ganzen Welt inspizierten die Proben, in Spanien, Frankreich, Belgien, Niederlande und in den USA. Sie fanden nichts, kein einziges funktionierendes Virusteilchen. „Die Virusreste, die wir gefunden haben, waren Schrott.“ Jensen und sein Team prüften zudem, ob sich das neue Immunsystem noch mit HIV beschäftigt. In der Anfangsphase muss es das Virus gegeben haben; Einige Zellen erinnerten sich zu Beginn noch an HIV. „Aber die Erinnerung ließ mit der Zeit nach. Für uns bedeutete das: Es gibt kein HIV mehr in dem Körper.“ Im Oktober 2018 setzte Franke seine HIV-Medikamente ab. Anfangs musste er noch zweimal die Woche einen HIV-Test machen, heute noch alle zwei Monate.

Sie waren alle negativ.

Die Heilung von Marc Franke, sagt Jensen, sei ein „großer Schritt auf einem sehr, sehr langen Weg.“ Auch wenn der Heilungsweg nicht massentauglich ist, habe die Wissenschaft viele wertvolle Informationen über die Krankheit gesammelt. „Wir lernen immer mehr über die Verstecke von HIV. Die Heilung des Berliner Patienten war offensichtlich nicht nur eine Laune der Natur, sondern tatsächlich reproduzierbar“, sagt Jensen. „Wir lernen, dass der Schutz des Immunsystems durch eine Genmutation enorm wichtig ist. Eine Stammzellentransplantation alleine heilt HIV nicht.“

Forscher arbeiten nun an Strategien, die Verstecke von HIV ohne hochgefährliche Eingriffe zu verkleinern. „Es gibt einige Ideen. Man könnte zum Beispiel modifizierte Immunzellen auf HIV trainieren.“ Eine weitere Strategie könnte sein, das Immunsystem durch einen gentechnologischen Eingriff zu verändern. HIV-Patienten könnten so gegen das Virus immun werden – ähnlich wie Anna Prause. „Heutzutage kann man mit HIV bereits alt werden und ein erfülltes Leben führen“, sagt Jensen. „Aber das sollte uns nicht davon abhalten, zu versuchen, die Krankheit ganz zu heilen.

Franke bricht sein Schweigen

20.02.2023 Artikel in Nature Medicine

03/2023 Zeit Magazin

04/2023 Kölner Stadt-Anzeiger

Timothy Ray Brown, der „Berliner Patient”, starb im September 2020 an Krebs. Fünf Menschen gelten mittlerweile als geheilt, Marc Franke ist Nummer zwei oder drei; Der „Londoner Patient“ Adam Castillejo hat zwar früher als Franke die HIV-Medikamente abgesetzt, doch Franke wurde noch vor ihm transplantiert. Timothy Ray Brown ging damals mit seiner Geschichte an die Öffentlichkeit, er setzte sich für die Forschung an einer Heilungsmethode für alle Betroffenen ein. Franke will es ihm nachmachen. Er will zeigen, dass die HIV-Forschung noch immer Fortschritte macht, dass HIV irgendwann eine heilbare Krankheit werden könnte, nicht nur eine behandelbare.

Ed liegt in seinem Bett, er trägt eine Schlafmaske. Vor dem Bett steht ein Rollstuhl. An den Wänden kleben unzählige Bilder, Zeichnungen und Figuren.

„Der einfachste Weg, HIV zu heilen, wäre wenn sich mehr Menschen testen und behandeln lassen“, sagt Franke. „Ich will Gesicht zeigen und zum Nachdenken anregen, wie man mit HIV-Infizierten umgeht.“ Das Klima müsse sich ändern, damit mehr HIV-Infizierte über ihre Erkrankung sprechen. „In der HIV-Forschung hat sich in den letzten 30 Jahren unglaublich viel getan. Doch das Stigma ist geblieben.“

Nach Jahren des Schweigens will Marc Franke, der Düsseldorfer Patient, der Welt von seiner HIV-Infektion erzählen. „Ich bin froh, dass es raus ist. Ich fühle mich befreit.“

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